Dienstag, 22. Januar 2013

Mein indisches Leben beginnt


Jeder einzelne Tag zeigt mir,wie unglaublich anders Indien ist und wie unglaublich viel ich lernen muss und vor allem nicht verstehe. Ich habe jedoch kein Angstgefühl, denn ich fühle mich unglaublich wohl in der Schönheit Indiens....jede Straße kann noch so dreckig sein,die Pracht bleibt.Egal wo ich hinschaue,egal in welche Richtung meine Schritte gehen,in jedem kleinen Straßenladen,hinter jedem Obststand, in jedem Eckchen und jedem Treiben auf der Straße,steckt unglaublich viel Leben. Leben, ist das, was ich hier suche und ich habe bereits jetzt schon meinen Weg,den ich gehen will, hier gefunden.

Mein Arrival-Camp war unglaublich spannend und sehr wichtig für mich. Ich hätte so einige Probleme bekommen,hätte ich diese 6 Tage nicht gehabt. Eine gute Vorbereitung ist wahnsinnig wichtig, denn das Leben in Deutschland und das Leben in Indien ist und wird nie zu vergleichen sein.
Ich bin schon fast 2 Wochen in Indien und ich habe so viel gesehen,gelernt und erfahren,wie ich es in 3 Monaten Deutschland tun würde...wenn überhaupt. Es ist einfach nur verrückt.
2 Wochen sind nichts aber für mich so viel.

Ich esse immer noch sehr gerne mit den Händen und es wird auch immer besser,auch wenn ich immer noch jedes mal die Letzten bin,die fertig ist. Ich muss mich so wahnsinnig konzentrieren,vor allem bei Reis. Generell isst man hier nur Reis. Morgens Reis,mittags Reis und abends Reis.
Es ist wahrlich eine Kunst,die Finger wie ein normales Besteck nutzen zu können. Ich bin fleißig am üben....aber was bleibt mir auch anderes übrig.
Meine Lieblingsbeilage ist das Indische Fladenbrot,Chapati. Man bekommt dieses Fladenbrot eigentlich zu jeder Mahlzeit. Die einzelnen Stücke des Chapatis werden oft als Art Löffel für das Essen benutzt und erleichtert einen oft das Essen mit den Händen. Ich könnte in diesem Fladenbrot baden. Jedem Inder, dem ich dies erzähle, schaut mich nur kopfwackelnd an und sagt lachend ' Genieß es,solange du es noch kannst.Jedes Mädchen aus Europa wird zu einem Fettkloß durch Chapati '.  Ich habe das Gefühl,Inder sind gerne sehr direkt, denn sie haben auch keine Scheu einem beim Shoppen zu sagen,dass sie dieses Oberteil auf keinen Fall kaufen würden,da es einen fett machen würden. Man sieht gar nicht ein,dies auch freundlich und auf einem anderen weg deutlich zu machen.
Inder lachen gerne,wenn etwas Unangenehmes passiert. Muss jemand ins Krankenhaus,wird kopfwackelnd gelacht,hat jemand Denguefieber, wird kopfwackelnd gelacht...generell habe ich das Gefühl, dass Inder nie Angst vor etwas haben. Es wird schon Alles gut gehen,steht hinter jedem Satz eines Inders.

Traue keinem Inder! Fragst du nach dem Weg,muss man immer davon ausgehen, dass dir die falsche Richtung gezeigt wird. Fragst du 5 verschieden Leute,kommst du an 5 verschiedenen Orten an. Ich muss mir definitiv einen Stadtplan zulegen, denn ich kann mir wirklich eine bessere Sportart vorstellen,als planlos durch die Gegend zu laufen.

Das Höflichkeit ein Fremdwort ist,hatte ich euch bereits schon erzählt,jedoch füge ich Pünktlichkeit  hinzu.  Die Indische Vorstellung von Pünktlichkeit oder generell der Begriff von Zeit muss undefinierbar sein. Eine solche Flexibilität habe ich noch nie gesehen und erlebt. Hat man vor sich zu treffen wird aus Prinzip keine Uhrzeit ausgemacht oder hat man für 18 Uhr ein Taxi bestellt, kann dieses im Zeitraum 18:15 - 20:00 kommen. Man kommt oder man kommt nicht. Man weiß es nicht. Aber man macht sich auch keinen Kopf drüber. Pünktlich sein kann man auf jeden Fall schon einmal ausschließen. Eine sehr große Umstellung für jemand der gewohnt ist zu wissen wann und wohin man geht und es ist schwieriger als gedacht,das europäische Denken abzuschalten.

Das Busfahren ist somit nicht gerade leicht. Es gibt weder offizielle Bushaltestellen,noch iregndwelche Andeutungen auf eine.Von Abfahrtszeiten will ich erst gar nicht anfangen und somit stehen die Ankunftszeiten auch in den Sternen. Diese spielen hier eh keine Rolle,da man hier oft für 15 km 2 Stunden braucht. Aber zum Verkehr komme ich später.

Ein kurzes Busfahrerlebnis.
Meine erste Busfahrt stand vor mir,ich wusste mein Ziel und ich hatte einen Zettel mit Ort und Name der Haltestellen. Mehr nicht. Sollte reichen,dachte ich mir. Jedoch ob diese Haltestellen überhaupt existierten bzw angefahren wurden,weiß man hier nicht. Wird glaube nach Wetter,Verkehr oder Lust und Laune des Busfahrers entschieden. Bis ich erstmal die Nummern auf den Bussen erkannt hatte,hat es gedauert,denn diese sind oft unter Blumenketten verborgen. Das Glück war dann Gott sei Dank auf meiner Seite.Der Bus kam zwar 15 Minuten zu früh...aber er kam. Ich freute mich,denn der Bus war relativ leer. In den Bussen ist es meistens so, dass vorne die Frauen sitzen und hinten die Männer. Da vorne alles besetzt war,suchte ich mir einen schönen freien Platz in der Mitte. Der Bus fuhr los und ich bat den Schaffner mir Bescheid zu sagen,wann meine Haltestelle kommt. Er lachte mich aus,nachdem ich versuchte den Namen auszusprechen,dann ließ ich es bleiben und hielt ihm einfach den Zettle unter die Nase. Er guckte drauf,guckte mich an,ich fragte ihn ein weiteres mal,jedoch sagte er mit einem breiten Lächeln nein. Toll..!
Gut,dass ich in einem Bus saß,in einem völlig fremden Land,ohne Orientierung und keinen blassen Schimmer hatte wo ich aussteigen sollte...
 Ich wurde von jeder Seite  angestarrt,woran ich mich auch langsam gewöhnen sollte und ich dachte sehnsüchtig an die deutschen Busse mit  Anzeigetafel und freundlichen Durchsagen. Der Bus hielt mal hier und mal dort.Haltestellen sind dort wo viele Menschen stehen, nehme ich an. Der Bus hält auch gerne mal mitten auf der Straße. Es sprangen immer mehr Leute in den Bus,es wurde voller und voller,der Bus fuhr und fuhr. Der Schaffner schrie ständig irgendwelche unverständlichen Worte durch den ganzen Bus, doch ich war beschäftigt bei der Fahrtechnik,nicht auf meinen Sitznachbar zu fallen und keine ernsthaften Verletzungen zu bekommen. Irgendwann war meine ganze Sicht verdeckt und ich sah nur noch bunte Saris,kleine Kinder mit Goldschmuck beschmückt und Männer mit Schnurrbart. Der Bus platzte und es wollten immer mehr Leute rein. Die Leute hingen schon an der Außentreppe. Als ob das Gedränge nicht schon reichte,drängelte sich der Schaffner alle 2 Minuten von vorne nach hinten um Fahrkarten zu verkaufen und zu kontrollieren. Die Luft war nicht mehr zum atmen da. Tausend Gerüche waren in meiner Nase,ich wollte schreien und meine große Frage in meinem Kopf: Wie soll ich je,wenn ich wüsste wo ich aussteigen soll,hier rauskommen???? Blöd war,dass ich in der Mitte saß und somit recht weit weg vom Ausgang.  Ich fragte mich rum und hoffte dass irgendeiner den Namen meiner Haltestelle verstand,denn ich hatte meinen Zettel fallen lassen. Hätte ich ihn aufgehoben,hätte ich damit rechnen müssen,dass sich jemand auf mich draufsetzt.
Großer Hoffnungsschimmer! Zwei wunderschöne Inderinnen konnten mir helfen und nach einem schweren Kampf nach draußen war ich wieder frei. Meine erste Busfahrt war eine typische indische Busfahrt und ich muss mich dran gewöhnen bzw herausfinden wie man am besten Bus fährt. Es ist reine Taktik- und Glückssache! So wie alles hier. Busfahren wird keine Lieblingsbeschäftigung,das steht fest.

Ich sprach eben von Flexibilität. Das gleiche gilt auch für Preise. Im Großen und Ganzen ist es nicht zu glauben,wie wenig ich hier für Sachen ausgebe. Nehme ich mir eine Rikscha,bezahl ich für 10 km ca 20 cent. Auch Lebensmittel bekomme ich oft unter einem Euro. Im Arrival-Camp gingen wir in ein Restaurant. Wir alle hatten volle Teller und Massen an Reis vor uns stehen. Wir waren 12 Leute und die Rechnung war umgerechnet ca 5 Euro. Jedoch die Preise können sich täglich ändern. Vor allem wenn man als Weißer irgendwo hingeht,bezahlt man oft das Zehnfache. Sagt man jedoch irgendetwas auf Canada,geht der Preis sofort runter...so schnell geht das. Wieder eine Taktik-und Glückssache!

Man muss auf so viele Dinge achten,wenn man unterwegs ist. Da man nie weiß wann man wo sein soll und generell keine Ahnung hat,ist es so schwer zu planen. Es ist unmöglich. Zeit einteilen,ist nicht möglich. Dazu kommt noch eine der schwierigsten Aufgaben hier in Bangalore. Das Überqueren der Straße. Unmöglich! Wenn man nicht vor hat 30 min am Straßenrand zu stehen um nach einer kleinen Lücke zu gucken,muss man sich reinstürzen. Lebensgefahr! Alles was drei,vier Räder hat oder Kuh heißt hat Vorrang und man würde nie anhalten für einen Fußgänger. So rennt man los und schlängelt sich so gut es geht durch. Es ist jedesmal ein Abenteuer aber bis jetzt habe ich alles gut überstanden. Leider ist nie eine Kuh in Sicht, der ich mich anschließen könnte,wenn ich die Straße überqueren möchte. Mit einer Kuh an meiner Seite wäre Sicherheit garantiert.
Die Straßen hier in Indien werden auch als Bürgersteig benutzt. Da die vorhandenen Seiten am Rand,voller Löcher, Obststände,Hunden,Kühen und Müll etc. sind, gehen die Menschen lieber auf der Straße. Warum auch nicht...
Trifft man auf einen Inder oder auf eine Inderin und man kommt in ein Gespräch,sind die ersten Fragen: Wie heißt du? Woher kommst du? Wann ist dein Geburtstag?  Wie heißt dein Vater? Wie heißt deine Mutter? Bist du verheiratet?
Das Thema Beziehung und Heirat  ist ein großes Thema hier. Sieht man hier einen Jungen und ein Mädchen alleine durch die Straßen laufen,so ist es sicher, dass diese verheiratet sind oder es bald sein werden.

Wasser ist hier in Bangalore,sehr sehr knapp.Jeder hat seine persönliche Flasche dir er immer irgendwo wo es Trinkwasserstellen gibt auffüllt. Da ich das nicht gewohnt bin,musste ich mir schon 4 mal eine neue Wasserflasche kaufen da ich sie immer irgendwo verloren habe. Wasser ist im Supermarkt relativ teuer. Die Inder haben eine bestimmte Art und Weise zu trinken. Sie berühren nie die Flaschenöffnung oder einen Becher,damit noch ein anderer daraus trinken kann. In unserer Schule gibt es eine Wasserstelle,ich hatte mal wieder keine Flasche und habe dort den Wasserbecher benutzt. Es war grad Pause,jedes Kind wollte trinken und hinter mir wuchs eine lange Schlange,durstiger Kinder. Ich nahm mir wie selbstverständlich den Becher,trank und ging weg. Ich wunderte mich warum alle Kinder mich mit großen Augen anguckten und keiner nach mir trank....jetzt weiß ich wieso.
Man muss jeden Tag mit Situationen rechnen,die einem unangenehm sind,da die Menschen unglaublich anders leben.

Seit 5 Tagen bin ich nun in meinem bescheidenen Heim. Ich wohne zusammen mit einer deutschen Freiwilligen Anna und Sashikala unserer Hostsister, in einer Art WG zusammen. Es ist sehr klein und hat nichts zu bieten.Wir haben ein Durchgangszimmer, eine kleine Küche,die eher eine Abstellkammer ist und ein typisch indisches Bad. Aber was brauch ich mehr? Es ist genau das was ich wollte. Ich liebe es . Ich wohne mitten in der Stadt,was jedoch hier in Bangalore auch eine weitgegriffene Beschreibung ist. Gleich um die Ecke ist ein wunderschöner See.

Ich habe schon drei Arbeitstage hinter mir und ich genieße jede Sekunde. Jeden Morgen nimmt der Schulbus Anna und mich mit in die Schule. APD,mein Projekt ist wundervoll. Überall treffe ich wundervolle Menschen, die mich aufnehmen und mir Alles zeigen. Sie zeigen ihre Freude und Interesse an Freiwilligen und ich habe mich sofort wohl gefühlt. Ich habe noch keine festen Aufgaben,das wird mit der Zeit kommen und das muss ich mir auch selber erarbeiten, denn Eigeninitiative ist gefragt. Überall sind Kinder, die trotz ihrer Behinderung,jede Sekunde lachen. Abgeschottet von der Welt hinter den Toren von APD, leben diese Kinder hier in ihrer eigenen Welt. Jedoch ist es eine sehr große Herausforderung,zu erkennen,welches Kind welche Behinderung hat. An meinem ersten Tag,sprach ich so oft mit gehörlosen Kindern,ohne es zu wissen. Ich sollte mit einer Gruppe von gehörlosen Kindern,nach draußen gehen und Ballspiele machen...gar nicht so leicht wenn man sich nicht verständigen kann und vor einem  8 Kinder stehen, die mit dir reden wollen. Aber ich freue mich,ich werde die Gebärdensprache lerne. Viele Kinder können meinen Namen nicht aussprechen,so haben sie mir den Namen ' Coconut ' gegeben. Ich heiße gerne so. Oder man wird Aka genannt,das heißt große Schwester.
Ich freue mich,all die Lehrer besser kennen zu lerne und all die Kinder kennen zu lernen. Ich habe direkt an meinem ersten Tag gemerkt,dass ich hier finden werde was ich suche. Ich werde die Tage fragen,ob es möglich ist eine Tanzgruppe zu eröffnen,denn paar Jungs haben mir schon super tolle Tanzmoves gezeigt. Ich werde mich allen Herausforderungen mit Freude stellen und ich kann es kaum abwarten ein richtiger Teil von APD und den Kindern zu werden.

Ich bin gespannt auf die nächsten Wochen.Meine Ankunftszeit ist nun vorbei und ich fange nun an mich langsam einzuleben. Viele Dinge muss ich lernen und es wird eine Zeit lang dauern. Eine Sache kann ich jedenfalls jetzt schon sagen,Indien ist der Ort,wo ich hingehöre und wo ich sein will.


Ps. Für alle die meine Postadresse haben möchten:

37/ 17, Meanee Avenue, Tank Road ( Near Ulsoor Lake )
Bangalore - 560 042
Karnataka, India

2 Kommentare:

  1. Ich war auch in Bangalore diesen Sommer und muss dir ehrlich sagen, dass es dort noch relativ human zugeht! Aufgrund der ansässigen IT Unternehmen wie Infosys und SAP geht es Bangalore wirtschaftlich deutlich besser als vielen anderen Indischen Städten wie zum Beispiel Kalkutta.
    In Mumbai ist alles deutlich chaotischer und zudem wird man dort von allen Seiten teilweise sehr aggressiv angebettelt.
    Und noch ein kleiner Kommentar zu den falschen Weganweisungen: Das liegt vor allem daran, dass Inder nicht in der Öffentlichkeit ihr Gesicht verlieren wollen. Wenn man jemandem nach dem Weg fragt, wird dieser immer behaupten, ihn zu kennen. Gewöhn dich also besser daran ;)

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  2. Und dabei sind die Briten so stolz darauf, dass sie den Indern in ihrer Kolonialzeit die Verwaltung beigebracht haben.....aber so auf den Bus warten, der mal kommt oder mal nicht oder wenn dann gleich in dreifacher Ausfuehrung...kenne ich auch hier von London!
    Lill

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