Freitag, 24. Mai 2013

Sand im Auge. Wüstenwind im Ohr


27.4.2013 - Bikaner

Ich bin nun schon über drei Wochen unterwegs im Norden von Indien und die Zeit läuft mir davon. Sie rennt, rennt immer schneller und ich kann sie nicht einfangen.
Ein weiteres Mal sitze ich im Zug und beobachte, wie die Landschaft sich verändert. Es erstreckt sich eine unendliche Dürre vor meinen Augen und die kahlen, letzten Bäumchen flitzen an meinem Zugfenster vorbei. Ich kann fühlen, wie sehr das letzte Grün nach Wasser ruft und ich teile ihr Leid, denn auch mein letzter Tropfen ist ausgetrunken. Während ich langsam austrockne und ich die morgendliche Hitze durch das Fenster spüren, lasse ich meine Gedanken übers Land schweifen. Die Sonne ist schrecklich grell, beißt mich und der Schlaf liegt noch, wie ein heimlicher Schleier,  auf meinen Augen. Wir fahren durch kleine, vergessene Dörfer. Hier und dort taucht ein Kamel auf und ich bekomme mein Lächeln nicht mehr von meinen Lippen. Es gibt einfach nichts Schöneres, als zu Reisen.

In wenigen Stunden werde ich in Bikaner, irgendwo im Nirgendwo ankommen. Fahre Richtung Trockenheit und erreiche die andere Seite Indiens. Die Wüste ruft.

Ein weiteres Mal, beeindruckt mich die Vielfältigkeit Indiens. Das Leben in der Wüste, findet  fern ab von dem beschäftigten und lauten Indien statt. Ich bin in einem Nichts von Sand, Hitze und Kamelen. Die Sonne hat hier die Macht und ist gnadenlos. Ich muss dazu sagen, dass es die ungünstigste Zeit ist, um in die Wüste zu fahren. Es ist Sommer und die durstige Erde schreit verzweifelt nach Wasser. Eine Hitze von 50 Grad liegt über Bikaner und verbrennt einfach Alles.

Trotz Hitze, arbeiten die Menschen fleißig und es ist wirklich schön, anstatt nur Kühe auch mal andere Tiere zu sehen. Elegant schreiten die Kamele, durch die Straßen, dienen als Transportmittel oder stehen einfach nur faul in den Gärten. Ein nettes Haustier und so wie ich das sehe, behandeln die Menschen hier, diese Tiere mit Liebe.

Unser Ziel ist der Camelman, wir wollen hinaus in die Wüste und unser nächstes Abenteuer, auf dem Rücken eines Kamels, starten.
Traumhafte Unterkunft!!! Wunderbare Menschen und wir fühlen uns sehr Willkommen. Wir warten auch nicht lange nach unserer Unterkunft und machen uns schnell fertig. Was nimmt man nur mit in die Wüste? Mit Sonnencreme als Waffe gegen die Sonne, Zahnbürste ( wenn man schon nicht duschen kann ) und Kamera im Gepäck, geht es los. Die Kamele warten, heute Nacht wird unter dem Sternenhimmel der Wüste geschlafen...

Ich fühle mich, wie eine Wüstenkönigen. Stolz hinterlässt mein Kamel, seine Fußspuren im Sand und läuft Richtung Horizont. Ich schaue mich um und finde kein Leben. Eine ungewohnte Ruhe umhüllt meinen Körper und der Wüstenwind heult in der Ferne und flüstert mir seine Geschichten zu.  Mein Tuch tanzt mir um den Kopf und Sand fliegt mir in die Augen. Schon nach wenigen Minuten bin ich von oben bis unten in einem Sandkleid eingekleidet.  Ich passe mich dem Kamel an und folge seinem Rhythmus  Ich lasse meine Seele baumeln und mein Blick weitet sich. Wir sind alleine. Meine Reisefreundin und ich im Sand mit vier Wüstenmänner, die uns die Welt der Wüste zeigen.  Ich reite hinein in den Sonnenuntergang und beobachte wie scheue Antilopen über die letzten verdursteten Büsche springen.

Die Dunkelheit und somit auch die plötzlich eintretende Kälte umzingelt uns. Irgendwo zwischen Nichts und Alles lassen wir uns im Sand nieder. Der Tag neigt sich dem Ende zu, die Sonne hat sich verabschiedet und wir genießen ein köstliches Essen. Ich habe noch nie, so gut gegessen. Ich weiß nicht, ob es an unserem ungewöhnlichen Esszimmer lag oder daran, dass das Wüstenessen einfach nur köstlich ist. Das einzige Ungewohnte war, dass wir nun nicht nur ohne Besteckt sondern auch ohne Teller essen mussten. Ich bin es nun gewohnt mit Fingern zu essen aber ohne Teller war dann doch etwas schwer.... komische Essensgewohnheit, hier in der Wüste.

Mit vollem Bauch, kaltem Wasser und sandigen Füßen, betraten wir unser Schlafzimmer. Zwei einsame Betten stehen auf dem Dach von einem einsamen Haus, mitten in der einsamen Wüste. Unser Fenster ist endlos und unser Blick, von unserem Bett aus,  erstreckt sich über die ganze  Trockenheit...über uns der strahlende Sternenhimmel.  Es ist unmöglich die Sterne zu zählen und ich könnte stundenlang meinem ruhigen Atem lauschen und in den Himmel schauen. Keine Sorge, kein Kummer findet hier Platz und ich liege in einem Bett, gepolstert mit dem Weltfrieden. Ich habe keine Ahnung wo ich bin aber das macht nichts. Ich habe das Gefühl es existiert kein Leben mehr auf der Welt. Die Wüste ist ein toter Ort, ein Ort an dem man zu verstehen lernt, was es bedeutet, alleine zu sein. Es ist ein fremdes Gefühl aber nicht mit Angst gefüllt.
Die einzige Frage in meinem Kopf: Warum sollte ich je wieder nach Deutschland zurück kommen, wenn ich hier mein Leben und den Frieden gefunden habe. Mein Leben ist zu  einer Reise geworden und ich möchte mich nicht mehr hinsetzten ohne wieder auf zu stehen.

Meine Augen werden schwer, ich spüre die Rest Hitze in meinem Körper und ich falle in einen tiefen Schlaf, fern in der Wüste.

Ich werde von dem schönstem Sonnenaufgang der Welt aufgeweckt und kann ihn beobachten, ohne aus meinem Bett zu kriechen. Der ganze Himmel ist in einen Farbtopf gefallen und erleuchtet in einem tiefem Rot. Es ist 6 Uhr am frühen Morgen und die Sonnenstrahlen fangen jetzt schon an zu brennen. Ich höre wie unser Frühstück im Sand vorbereitet wird, höre in der Ferne die müden Kamele und mein Herz lacht.
Einen ganzen Tag ziehen wir durch die Wüste. Die Hitze ist nicht auszuhalten und ich versuche so gut es geht mich in meinem Kopftuch zu verstecken. Das Atmen fällt schwer, denn mein Mund ist so gut wie ausgetrocknet und der Sand knirscht laut zwischen meinen Zähnen. Ich mag mir gar nicht vorstellen wie es ist, hier ohne Wasser um das Überleben zu kämpfen. Kein Mensch weit und breit, verbrannte Füße und Sand schmeckt wirklich nicht.

So langsam spüre ich meinen schmerzenden Körper. Ich wusste nicht, dass es so schmerzhaft sein kann, ein Kamel zu reiten. Nach einer Mittagspause im Sand, einem Mittagsschlaf neben dem Kamel, ein paar Antilopen und einem wunden Hintern, steuern wir langsam Richtung Leben an. Ich vergesse meinen Schmerz für die letzten Schritte, vergesse die Hitze und genieße ein letztes Mal dieses Gefühl von Frieden und Einsamkeit...

Die Kamelsafari war ein beeindruckendes Erlebnis, das ich nie vergessen werde...auch wenn ich die nächsten Tage vor Schmerz kaum gehen werden kann.
Mein Kamel und ich in der Wüste....und nun geht es weiter nach Jaipur.

Namaste.

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